Wie viel Rohstoff steckt in unseren Produkten und Gebäuden? – Eine Frage, die immer wichtiger wird, da Ressourcenverbrauch und Klimawandel eng miteinander verknüpft sind. Während viele schon von CO₂-Fußabdruck und Treibhauspotenzial (GWP) gehört haben, sind Begriffe wie RMI und TMR weniger bekannt. Doch gerade sie sind zentrale Indikatoren, die gemeinsam den Materialfußabdruck eines Produkts oder Bauprojekts messen und anzeigen, wie viel Rohstoff für die Herstellung benötigt wird.
Warum sind Rohstoffe schützenswert?
Rohstoffe gehören zu den natürlichen Ressourcen, die neben Wasser und Boden unter den Schutzgütern der Ökobilanznorm ISO 14040 stehen und durch das Umweltrecht der EU geschützt sind. Doch warum sind schützenswert?
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- Begrenzte Verfügbarkeit: Viele Rohstoffe, vor allem fossile und mineralische, sind nur begrenzt vorhanden oder erneuern sich nur sehr langsam. Ein rücksichtsloser Umgang kann zu Engpässen in der Zukunft führen.
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- Umweltschäden durch Abbau und Verarbeitung: Die Gewinnung, Verarbeitung und Entsorgung von Rohstoffen gehen oft mit erheblichen Eingriffen in die Natur einher und führen zu Freisetzung von Emissionen, Landschaftsverlusten, Bodenschädigung und Verlust an Biodiversität.
Ein bedachter Umgang mit Rohstoffen sichert uns auch langfristig den Zugang zu wichtigen Ressourcen und unterstützt den Schutz der Ökosysteme.
Was ist der Materialfußabdruck und wie wird er gemessen?
Der Materialfußabdruck hilft uns zu verstehen, wie viel Rohstoff ein Produkt, ein Bauwerk oder eine ganze Nation beansprucht. Die beiden wichtigsten Kennzahlen hierbei sind:
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- RMI (Raw Material Input): RMI misst, wie viel Rohstoff tatsächlich in die Produktion, Nutzung und Entsorgung eingeht. Es zeigt den „genutzten“ Materialeinsatz und beantwortet die Frage: Wie viel Rohstoff wird für ein Produkt verwendet?
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- TMR (Total Material Requirement): TMR geht einen Schritt weiter und umfasst auch die „ungenutzten“ Rohstoffe, wie zum Beispiel Abraum oder andere Massen, die bewegt werden müssen, um an die gewünschten Rohstoffe zu gelangen. Dies schließt oft versteckte Umweltauswirkungen ein, wie Landschaftsveränderungen oder Energieverbrauch durch das Bewegen großer Massen.
Der Materialfußabdruck berücksichtigt die Entnahme von abiotischen und biotischen Rohstoffen und Primärmaterial aus der Natur und dessen Einsatz oder Ablagerung als ungenutztes Material. Abiotische Rohstoffe stammen aus der Erdkruste und umfassen fossile Rohstoffe (z. B. Erdöl, Erdgas, Kohle), Metalle und ihre Erze (z. B. Eisen, Kupfer, Aluminium) und mineralische Rohstoffe (z. B. Sand, Kies, Kalkstein, Gips). Biotische Ressourcen hingegen bestehen aus natürlicher und kultivierter Biomasse, wie zum Beispiel Holz, Nutzpflanzen (z. B. Mais, Weizen) und Tiere, die als Nahrungsquelle oder für andere Zwecke genutzt werden.
Der Materialfußabdruck auf Produktebene
Auf Produktebene gibt der Materialfußabdruck einen Überblick über den gesamten Rohstoffeinsatz für ein einzelnes Produkt. Dies ist besonders wichtig, da es zeigt, welche Produkte besonders ressourcenintensiv sind.
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- Beispiel: Während für die Herstellung einer Tonne Aluminium ohne den Einsatz von recyceltem Aluminium etwa 40 Tonnen Rohstoffe benötigt werden, sind es bei einer Aluminiumlegierung mit 30 % recyceltem Aluminium noch etwa 17 Tonnen.
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- Einfluss auf das Produktdesign: Der Materialfußabdruck kann das Design von Produkten beeinflussen, indem ressourcenschonende Materialien oder recyclebare Komponenten bevorzugt werden.
In dem Projekt „Rohstoffaufwand in der ÖKOBAUDAT“ haben wir die Materialfußabdrücke von über 600 Bauprodukten und Bauprozessen berechnet. In dem Beitrag Ressourcenaufwand in der ÖKOBAUDAT: Transparenz im Bauwesen könnt ihr mehr dazu erfahren.
Vom Produkt zum Gebäude: Ressourceneffizienz im Bauwesen
Auf Gebäudeebene wird der Materialfußabdruck ebenfalls zu einem wichtigen Indikator für ressourceneffizientes Bauen. Hier wird der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes betrachtet.
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- Warum ist das wichtig? Ein hoher Materialfußabdruck bedeutet, dass viele Ressourcen in ein Bauprojekt fließen. Durch effizienten Ressourceneinsatz und den Einsatz recycelter Materialien lässt sich der Fußabdruck reduzieren.
- Praktische Ansätze: Urban Mining, also die Wiederverwertung von Materialien aus alten Gebäuden, sowie langlebige Bauweisen helfen, den Materialeinsatz zu reduzieren. Beispielprojekte wie das Rathaus Korbach aus R-Beton und das „Suffizienzhaus U10“ in der Uhlandstraße in Kassel zeigen bereits heute, wie Kreislaufwirtschaft im Bauwesen gelingen kann.
Das große Ganze: Materialfußabdruck und die SDGs
Auf volkswirtschaftlicher Ebene spielt der Materialfußabdruck eine Schlüsselrolle in den Sustainable Development Goals (SDGs), insbesondere in den Zielen 8 und 12:
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- SDG 8 (Wirtschaftswachstum und menschenwürdige Arbeit)
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- SDG 12 (Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster)
Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene wird der Raw Material Consumption (RMC) genutzt, der den RMI für im Inland verwendete Materialien angibt und so internationale Vergleiche ermöglicht.
Der RMC von Deutschland lag laut EUROSTAT im Jahr 2023 zum ersten Mal seit Erhebungsbeginn (2014) mit 13,7 t pro Kopf knapp unter dem europäischen Durchschnitt von 14,1 t pro Kopf. Laut Berechnungen internationaler Organisationen wie dem International Resource Panel und dem World Economic Forum gilt ein weltweiter Primärrohstoffverbrauch von 6 bis 8 Tonnen pro Person und Jahr als verträglich mit den planetaren Grenzen. Danach richtet sich der Vorschlag in der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (Entwurfsfassung 17.06.2024), wonach ein RMC von 8 Tonnen pro Kopf bis 2045 angestrebt werden.
Grenzen des Materialfußabdrucks und mögliche Ergänzungen
Der Materialfußabdruck zeigt an, wie viel Rohstoff eingesetzt wird, sagt jedoch nichts über spezifische Auswirkungen auf Menschen oder die Umwelt aus. Solche Indikatoren werden als Midpoint-Indikator bezeichnet. Endpoint-Indikatoren hingegen gehen weiter und zeigen direkte Effekte auf die Gesundheit oder die Natur.
Zusätzliche Indikatoren und qualitative Ansätze wie der FSC-Standard für Holzprodukte können solche Lücken füllen und helfen, soziale und ökologische Aspekte in die Bewertung einzubeziehen.
Ressourcen und Klima zusammen denken!
Der Materialfußabdruck im Bauwesen gibt Aufschluss darüber, wie viele und welche Rohstoffe für Gebäude und ihre Komponenten benötigt werden und bietet damit eine entscheidende Grundlage für nachhaltige Entscheidungen. Indem wir den Materialfußabdruck von Gebäuden messen, können wir den Einsatz von Rohstoffen genau nachvollziehen und gezielte Maßnahmen zur Reduktion und Optimierung einleiten. Dieser Ansatz unterstützt die Ressourceneffizienz über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg – von der Rohstoffgewinnung und Bauproduktion über die Nutzung bis hin zum Rückbau und Recycling. Damit Klimaschonung und Ressourceneffizienz Hand in Hand gehen, empfehlen wir, den Materialfußabdruck und den Klimafußabdruck gemeinsam zu betrachten, mögliche Zielkonflikte zu analysieren um so wirklich informierte Entscheidungen zu treffen!
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Weitere Informationen zum Materialfußabdruck findest du hier: